2. März 2011

Pfui, Karl-Theodor!

Pfui, Karl-Theodor! Zunächst war ich Dir eigentlich eher wohlgesonnen. Nicht aus der bourgeoisen Bewunderung für den Adel heraus, sondern weil ich echtes Mitleid verspürt habe. Jede Stelle, die man im Guttenplag-Wiki als Kopie enttarnt hatte, hat in mir ein brennendes Gefühl der Fremdscham hervorgerufen, gepaart mit jener Art Mitleid, die jenen gebührt, die die Verantwortung für ihre völlig desolate Situation zwar ganz alleine tragen, die aber dennoch ein gewisses "Das hat keiner verdient!"-Gefühl wecken. Darum habe ich (übrigens felsenfest überzeugt von der Ghostwriter-Theorie, aber dies nur nebenbei, Karl-Theodor) jedes mal innerlich gezuckt, wenn mit Häme und ausgestrecktem Zeigefinger berichtet wurde. Natürlich habe ich auch über die Witze gelacht (derer mein liebster war:
Praktikant im Verteidigungsministerium: "Wo ist denn hier der Kopierer?"
Staatssekretär: "Auf Truppenbesuch in Afghanistan!")

und auch ich habe fieberhaft halbstündlich die Spiegel-Online-Seite aktualisiert, brennend auf ein anderes Bild Deiner Gelfrisur und eine neue Schlagzeile im Stil von "Copy Paste Delete". Doch tief in mir drin, Karl-Theodor, da war mein Mitleid bei Dir, jenes unbegründbare, völlig irrationale Mitleid, das man nicht verdient hat, wenn man abschreibt, und noch viel weniger, wenn man abschreiben lässt.

Aber, Karl-Theodor, aber. Gestern dann Deine Rede. Sag mal, was fällt Dir denn eigentlich ein? Statt - wie es sich für einen Mann von Adel gebührt (oder wie auch immer man das in Euren muffigen Schlössenr ausdrückt) - erhobenen Hauptes endlich mal Deine blöde Kopiererei einzugestehen...! Statt die Chance zu ergreifen und zuzugeben, dass das einfach so richtig super-super-peinlich war, dass es Dir maßlos leidtut, und dass so etwas einfach nicht geht... stattdessen hakst Du die peinliche Dissertation in zwei Sätzen ab und drehst den Spieß dann komplett um: Karl-Theodor der Große, der Edle, ein Opfer der Medien, kann es nicht länger ertragen, dass um seine Person mehr Aufhebens gemacht wird als um die getöteten und verletzten Soldaten in Afghanisatn! Und darum tritt er zurück! Soll ich Dir mal was sagen, Karl-Theodor, ich glaube, dass sich die toten Soldaten im Grabe herumdrehen angesichts dieser Dreistigkeit! Wäre ich eine Angehörige der Opfer, ich würde nach Berlin fahren und Dir persönlich ins Gesicht spucken dafür, dass Du mein totes Familienmitglied für Deinen möglichst unbeschadeten Abgang inszenierst!

Und - ich bin fassungslos - Du gehst noch einen Schritt weiter. Du spielst nicht nur den Gutmenschen, der trotz völliger Unschuld sein Amt den kannibalistischen Medien opfert; nein - Du nutzt dieses Forum, in dem Du eigentlich nichts anderes tun solltest als gesenkten Hauptes demütig vor uns allen (und allen Promovierten, die nicht abgekupfert haben und dabei immer wieder den Mut und stellenweise fast den Verstand verloren haben, ich kenne einen davon!) - jedenfalls wäre das die einzige tragbare Haltung gewesen, die Du im Zuge dieser Rede an den Tag hättest legen können, Karl-Theodor! Du hättest knien müssen vor uns allen und büßergleich reuig den Kopf senken und murmeln
"Es tut mir leid! Ich habe einen Fehler gemacht. Ich bin zwar nicht aufgrund meiner Doktorarbeit Minister geworden, aber ich habe als Politiker eine Vorbildfunktion. Und außerdem kann ich als Politiker nicht die gesamte Wissenschaftsweld des Bildungsstandortes Deutschland derart schamlos vor den Kopf stoßen. Darum trete ich jetzt zurück. Tschö mit ö!"

Aber das hast Du nicht getan. Du hast die Medien verantwortlich gemacht und dann hast Du doch tatsächlich noch die Dreistigkeit besessen, zu betonen, was Du alles Großartiges in Deiner Amtszeit vollbracht hast. Und dass Du Deinem Nachfolger ja wunderbar den Weg geebnet hast und eine supi vorbereitete Bundeswehrreform aufs Platzdeckchen gelegt hast. Damit der auch ja nicht die Lorbeeren abkassiert, damit auch ja nachher alle sagen "Ja, aber vorbereitet hat's der Herr Baron!"

Karl-Theodor, im Laufe Deiner Rede ist wirklich der letzte Rest Mitleid, den ich für Dich noch empfand, so langsam aus den Fingerspitzen gewichen. Das konnten dann auch die paar verdrückten Tränchen am Ende (und ich falle sonst immer, wenn jemand heult!) nicht wieder gutmachen. Überhaupt, Karl-Theodor, die nehm ich Dir nicht ab. Das war doch sicher wieder nur eine Idee von einem Deiner Berater. Vielleicht derselbe, der gesagt hat "Gib den Doktortitel freiwillig ab; in Libyen steppt der Bär, das haben bis Montag eh alle vergessen!". War wohl nix, Karl-Theodor. Peinlich ist das, fremdschämen tu ich mich immer noch. Aber das Mitleid, das hast Du verspielt.

Und aus diesem Grund veröffentliche ich jetzt alle Guttenberg-Witze - die ich mir aus Gründen der Pietät bislang verkniffen habe - gesammelt und für mein geneigtes Blog-Publikum in geballter Ladung. Bäh.