6. März 2006

Mühsam

Mühsam ist's zuweilen, kreativ zu sein und sich hübsche Mehrzeiler und amüsante Texte für die handverlesene Blog-Leserschaft auszudenken. Darum bediene ich mich heute der Genialität eines Schriftstellers, der im Jahre 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde. Was er bis dahin in seinen nur 54 Lebensjahren hervorgebracht hat, war mitunter sehr amüsant, und darum gibt es heute ihm zu Ehren meine persönliche

Top Ten der Schüttelreime von ERICH MÜHSAM



Platz 10:
Man wollte sie zu zwanzig Dingen
in einem Haus in Danzig zwingen.

Platz 9:
Mit einem starken Schweden ringen,
Ist nicht so leicht wie Reden schwingen.

Platz 8:
Da wieder mal der Bundesrat
das Volk um etwas Rundes bat,
so hoff ich, daß die Hundesteuer
der Magistrat mir stunde heuer.

Platz 7:
Der ist ein großer Schweinehund,
dem je der Sinn für Heine schwund.

Platz 6:
„Juchhe!“ rief Karl, „juchhe, der Falter!
Er sitzt auf meinem Federhalter.“

Platz 5:
Wenn ich nur eine Bimmel hätt’,
Ich hing sie an mein Himmelbett.

Platz 4:
Man soll sich nicht in Häuschen laben,
Wo die Bewohner Läuschen haben.

Platz 3:
Dem Mädchen in der Bäckerei
schläft häufig nachts ein Recke bei.

Platz 2:
Dem Onkel ist zum Sterben elend.
Da sieht man schon die Erben stehlend.

Platz 1:
Sie würden mir eine große Freude bereiten,
wenn Sie meinen Hund von der Räude befreiten.

1 Kommentar:

pandoria hat gesagt…

Liebe Tinifeliz,
auf die grandiosen Schüttelreime hier noch ein Mühsam - mein Lieblingsgedicht von ihm. Es heißt:

Der Revoluzzer
(Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet)

War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: "Ich revolüzze!"
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.

Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unser Revoluzzer
schrie: "Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!

Wenn wir ihn' das Licht ausdrehen,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Laßt die Lampen stehn, ich bitt!
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!"

Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.